Sharon Ya’ari. The Romantic Trail and the Concrete House

Fotoausstellung in Krefeld bis Ende August 2020

Ab März 2020 zeigen die Kunstmuseen Krefeld in Haus Esters die erste Einzelausstellung des israelischen Fotografen Sharon Ya’ari in Deutschland. Ya’ari hat seine Präsentation speziell für den Ausstellungsort Haus Esters entwickelt. Eine große Rolle spielt dabei die Atmosphäre und Geschichte des Hauses. Die zwischen 1927 und 1930 von Ludwig Mies van der Rohe errichteten Villen Esters und Lange sind Ikonen des Neuen Bauens in Deutschland und repräsentieren die europäische Moderne.

Bild von Sharon Ya’ari : Jemand bewässert seinen Vorgarten, in dem viele Dekorationen aus Glas stehen.
© Sharon Ya’ari, courtesy Kunstmuseen Krefeld

Den Dialog zwischen seinen Fotografien und der Architektur von Haus Ester stellt Ya’ari durch verschiedene fotografische Techniken und die gezielt gewählten Größen seiner Bilder her. Für aufmerksame Besucher ergibt sich so ein Spannungsfeld zwischen der zeitlosen Anmutung der Villa und dem zeitgenössischen Blick des Fotografen auf eine oft zerbrechliche Realität.

Welche Motive, welche Intention zeigen die Fotografien von Sharon Ya’ari?

Die Motive finden sich alle in Israel. Ya’ari sucht und findet Abbilder der modernistischen Formensprache, nicht wie oft gesehen am Beispiel der Architektur, sondern vielmehr mit Augenmerk auf die Überbleibsel des täglichen Lebens und Beiläufigkeiten des Alltags. Auch Verfall und Vergänglichkeit finden sich häufig.

Bild von Sharon Ya’ari : 2 Frauen sitzen an ener Uferpromenade in einem Strand- oder Hafenbereich. Schwarzweissaufnahme.
© Sharon Ya’ari, courtesy Kunstmuseen Krefeld

Manche Bilder muten an wie Schnappschüsse: schiefer Horizont, stürzende Linien, wie „abgeknipst“ im Vorbeigehen. Aber irgendetwas, eine Kleinigkeit hier, ein Farbakzent da, lässt den Besucher innehalten. Und dann ist es fast, als würden wir selbst die Straße entlangschlendern und stehenbleiben, um die Szene näher zu betrachten. So belanglos die Bilder beim flüchtigen Betrachten wirken, erzählt doch jedes von ihnen eine Geschichte, lässt man sich nur darauf ein.

Ungeschönt unspektakulär

Bild von Sharon Ya’ari: Haus und Vorgarten mit einer Wäscheleine vor dem Balkon. Auf der Leine hängen zwei grüne Tücher

Die Fotografien zeigen die Realität, ungeschminkt, nicht arrangiert. Sicher, es ist wie immer die Realität des Fotografen, aber dieses Haus, jene Bäume, die waren in dem Moment der Aufnahme genau so. Es ist eine Realität aus Israel, einem mir unbekannten Land. Ich weiß darüber nur wenig mehr, als dass der Alltag dort nicht selbstverständlich konfliktfrei und leicht ist.

Zufallsfunde beim Spaziergang

Ya’ari nimmt mich also mit auf einen Spaziergang durch Israels Straßen und ich denke mir: den Mut müsste ich auch einmal aufbringen, in meiner Stadt einfach so im Vorbeigehen etwas zu fotografieren, das zufällig ein Fitzelchen meiner Aufmerksamkeit im Augenwinkel erregt hat. Mut brauche ich dazu, weil die meisten sicher keine schönen Fotos werden. Sie wären weder gut arrangiert und ausgeleuchtet noch würden sie einen ganz besonderen Moment festhalten. Einfach nur die alltägliche Realität, ganz ungeschönt.

Bild von Sharon Ya’ari: 1 Palme und 2 Palmenstümpfe in sandiger Umgebung vor Windfangzaun aus Machendraht und blauer Folie
© Sharon Ya’ari, courtesy Kunstmuseen Krefeld

Wem gefällt denn sowas?

Wer außer dem Fotografen und jenen, die in dem Moment dabei waren, kann mit solchen Bildern etwas anfangen? Wem soll denn sowas gefallen? Würde mir das überhaupt selbst gefallen oder würde ich die Bilder in den virtuellen Papierkorb schieben? So denke ich und lache im nächsten Moment über mich selbst: Sharon Ya’ari zeigt doch gerade mit seiner Ausstellung, dass genau das funktioniert.

Und damit erfüllen die Fotografien noch einen anderen Zweck als die bloße Darstellung einer Alltagszene aus Israel. Sie erzählen etwas über unsere Art zu sehen und die Interpretation unserer eigenen Wahrnehmung. Ein interessanter Gedanke, den ich noch eine ganze Weile weiterspinnen kann.

Über Sharon Ya’ari

Sharon Ya’ari ist 1966 geboren. Er lebt in Tel Aviv und lehrt an der Bezalel Academy for Art and Design in Jerusalem. Seit langem zählt er zu den renommiertesten israelischen Künstlern seiner Generation.

Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen international gezeigt, z.B. in diesen Häusern: Tel Aviv Museum of Art (IL), National Gallery Museum, Vilnius (LT), Kunsthaus Baselland, Basel (CH), Drexler University Art Gallery, Philadelphia (US), National Gallery of Modern Art, New Delhi (India), Camera Austria, Graz (A), Israel Museum, Jerusalem (IL). 2018 erhielt er den Emet Prize for Arts, Science and Culture, der in Israel für wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen mit weitreichenden gesellschaftlichen Auswirkungen vergeben wird.

"Transformers" Statuen bei Nacht mit Beleuchtung durch Straßenlaternen
© Sharon Ya’ari, courtesy Kunstmuseen Krefeld

Wann und Wo?

Kunstmuseen Krefeld
Haus Lange / Haus Esters
Wilhelmshofallee 91–97, D-47800 Krefeld

Laufzeit: bis 30. August 2020
Öffnungszeiten: Di sowie Do bis So 11-17 Uhr, Mi 15-21 Uhr
Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 3 Euro

Publikation

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in deutscher und englischer Sprache in Kooperation mit dem Oldenburger Kunstverein und dem Kunstverein Heilbronn.

Bildnachweis: © Sharon Ya’ari, courtesy Kunstmuseen Krefeld

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