Ein fotografischer Rückblick in Berlin
Das Museum für Fotografie in Berlin zeigt neben anderen interessanten Ausstellungen noch bis zum 23. Februar 2020 eine Sonderschau zu den Themen der 1950er Jahre in Europa.
Selber habe ich sie nicht erlebt, diese Zeit des Glamours, Konsums und Wiederaufbaus. Ich weiß aber noch genau, wie sehr mich als Kind die Kinofilme aus dieser Zeit fasziniert haben: viel Musik, tolle Kleider, große Stars.
Was ich damals natürlich noch nicht wusste, heute aber sicher den meisten von uns klar ist: Die 1950er-Jahre waren in Europa ein Jahrzehnt des Übergangs und des Aufbaus, der Modernisierung und des Wandels. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Sehnsucht groß nach neuen Designs, neuen Konsumgütern und einfach dem Gefühl des „trauten Heims“. Und natürlich nach dem Wohlstand, der im Zuge des Wandels langsam Einzug hielt. Vielleicht waren die 1950er Jahre deshalb so ein ikonisches Zeitalter.
So schnell wie in den schönen Filmen ging es dann aber doch nicht. Wir kennen alle den Begriff des Wirtschaftswunders und das war es auch, ein Wunder. Dennoch gab es immer noch in weiten Teilen Europas Kriegsschäden, Hunger, Armut und Wohnungsnot.
Politisch gab es einerseits zwar Annäherungen zwischen verfeindeten Nationen, aber Europa steuerte auch direkt auf den Kalten Krieg zu, der uns noch weit über die 1950er Jahre hinaus beschäftigen sollte.
Fifties in Europe Kaleidoscope
Die Fotoausstellung Blue Skies, Red Panic ist ein Ergebnis des Projekts „Fifties in Europe Kaleidoscope“. Sie enthält Fotografien aus wichtigen Archiven aus ganz Europa. So vereint sie Bilder von historischen Ereignissen aus acht europäischen Ländern mit Fotografien aus Gesellschaft, Kultur und Alltagsleben. Dabei werden automatisch auch die Unterschiede zwischen den politischen Systemen hinsichtlich Freiheit und Unterdrückung deutlich.
Waschkaue der Bergarbeiter, deren Kleidung an der Decke befestigt ist, Ruhrgebiet, ca. 1950, © United Archives / Erich Andres
Für alle, die die 1950er Jahre erlebt haben, wird die Ausstellung Erinnerungen wachrufen. Für Menschen wie mich, die das Jahrzehnt nur aus Filmen und dem Geschichtsunterricht kennen, vielleicht noch von Familienfotos, kann sie eine ganz neue Entdeckung sein. Viel mehr als der trockene Frontalunterricht an unseren Schulen vermittelt die Schau durch die visuellen Eindrücke ein sehr unmittelbares Verständnis der damaligen Zeit, in der Agfa Color Kitsch und politische Umbrüche gleichermaßen stattfanden. Das hilft auch dabei, z.B. die Entstehung der Europäischen Union, wie wir sie heute kennen, besser einzuschätzen.
Wer sollte diese Ausstellung sehen?
Ein Besuch ist also nicht nur für Nostalgiker wie mich oder Zeitzeugen empfehlenswert, sondern auch und gerade für junge Menschen und Jugendliche. Deren umfassendes Verständnis unserer Geschichte sowie eine starke politische und kulturelle Bildung benötigen wir in der Zukunft dringend. Es sind wichtige Grundlagen für die jungen Menschen, die später einmal politische Verantwortung in Europa übernehmen sollen und hoffentlich auch wollen.
Wann und wo?
Museum für Fotografie
Jebensstr. 2, 10623 Berlin
Laufzeit: bis 23. Februar 2020
Öffnungszeiten: Di bis So 11-19 Uhr, Do bis 20 Uhr
Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 5 Euro
Mehr Informationen zum Projekt Fifties in Europe Kaleidoscope
… beim Institut für Museumsforschung
… auf der Projektwebseite (englisch)
Weitere Ausstellungen im Museum für Fotografie
bis 23. Februar 2020 Ludwig Windstosser. Fotografie der Nachkriegsmoderne
bis 23. Mai 2020 Body Perfomance in der dem Museum angegliederten Helmut Newton Stiftung
Bildnachweis: wie angeben. Titelbild: Tanz mit Fußball aus dem Film ‘A Csodacsatár’, 1956, © Gábor Kovács / National Széchényi, Library / CC BY-NC-SA. Alle Bilder: courtesy Museum für Fotografie Berlin